Ich weiß nicht wie es euch geht, für mich funktionieren klassische Theaterstücke meist nur in ihrem zeitlichen Kontext und ich finde es mehr als albern wie die meisten Theater- oder Filmproduktionen versuchen diese Stücke zwangahft in die Moderne zu transferieren.
Doch, wem dies immer wieder ausgesprochen gut gelingt ist, ist der Berliner Regisseur Uwe Janson. Er nimmt sich einen Klassiker nach dem anderen vor und bringt ihn mit solch einem Geschick in unsere Zeit, dass es schlicht und ergreifend einfach funktioniert. Seine Verfilmung von Berthold Brechts „Baal“ mit Matthias Schweighöfer ist für mich einer der besten Filme aller Zeiten.
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Der Zeitensprung klappt deshalb so gut, weil er sich nicht an den Text klammert, nah an der heutigen Jugendkultur dran ist, sich genau überlegt was die Charaktere heute machen könnten und bei allem aber die Seele des eigentlichen Stücks nicht verliert.
Nun hat er sich DEN Sturm-und-Drang-Renner schlechthin vorgenommen: „Die Leiden des jungen Werther“ von Goethe. Werther ist toll vor Liebe zu der schönen Lotte, doch diese ist bereits einem anderen versprochen. Er sieht sie andauernd und kann sie nicht vergessen. Doch die Liebe hat keine Chance. Er ist ein Freigeist, der vor lauter Leben und Liebe sich am Ende das Leben nimmt.
Janson sieht ihn heute als einen kreativen Fotografen, einen unbändigen Künstler, der die Welt so abbilden möchte, wie er sie sieht. Man sieht Werther (Stefan Konarske) im Drogenrausch auf wilden Rockparties oder aber auch kreativ, in sich gekehrt und melancholisch. Er wirkt wie ein Jim Morrison oder Kurt Cobain, der nach und nach alle Hoffnung auf Erlösung in Form von Liebe verliert. Lotte (Hannah Herzsprung) begegnet ihm hier in einer Tankstelle in der Großstadt.
Werther symbolisiert heute wie damals die Rebellion des Individuums gegen die angepasste Gesellschaft. Kann man überhaupt noch lieben in einer immer kälter und gefühlsloser werdenden Welt? Nach Erscheinen des Werthers im Jahr 1774 wurde das Buch als Anleitung zum Selbstmord verstanden, sorgte so für einen Skandal und einige liebestolle Mannbilder taten es sogar wirklich den Protagonisten gleich.
Heute wird es wohl niemanden mehr so vom Hocker hauen, aber trotz allem ist es ein Film, der uns zum Nachdenken anregt. Man sieht das Leben und die Liebe mit anderen Augen. Eine Mischung aus Poesie, Originaltext und heutiger Sprache lässt den Werther wieder auferstehen.
Für Literatureinsteiger, als auch für Kenner, die das Stück mal mit anderen Augen sehen wollen, ein absolutes Muss!
arte zeigt den Werther-Film am 8.9.08 um 22:35 Uhr…
P.S. in eigener Sache: Wenn mir jemand sagen kann, wo oder wie ich den „Baal“-Film von Janson auf DVD kriege, wäre ich extrem glücklich… 😉
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