Wenn die öffentlich-rechtlichen Sender von Publikumsverjüngung sprechen, heißt das meistens, mehr schlecht als recht bei den Privaten abzukupfern. Da dort immer noch die unterschiedlichsten Casting-Formate regieren, versucht sich das ZDF nach dem „Musical Show Star“ und dem “Grand Prix der Chöre” derzeit an einer weiteren eigenen Talentsuche: Unter dem bemüht saloppen Titel „Ich kann Kanzler!“ sollen sich die Regierungschefs von morgen beweisen. Juroren sind unter anderem Günther Jauch und Anke Engelke.
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Schon seit Februar sucht das ZDF nach Kandidaten für eine Live-Show, in der ein Bewerber auf das Amt des Bundeskanzlers gewählt wird – theoretisch jedenfalls. Praktisch ist auch dies nur ein Castingformat wie alle anderen. Zu gewinnen gibt es ein Kanzlergehalt und ein Praktikum im Bundestag. Dass die Suche bisher praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat, obwohl eine ganze Menge Material bereits aufgezeichnet wurde, hat damit zu tun, dass sich die Ausstrahlung ausschließlich auf das Internet beschränkte.
40 Kandidaten wurden zunächst von einem Redaktionsteam ausgewählt. Eine Jury, bestehend aus Anke Engelke, Günther Jauch (auch Produzent der Sendung) und Bremens ehemaligem Bürgermeister Henning Scherf, bestimmte hieraus 6 Bewerber für die Live-Show. Online lassen sich Wahlkampagnen und Jurypräsentationen ansehen, doch am Ende bleibt ein eher schaler Eindruck. Die Kandidaten pendeln irgendwo zwischen Schülersprecherattitüde und lauwarmer Paraphrasierung gängiger politischer Statements.
Bewerberin Nuray Karaca etwa sieht sich deshalb als die Frau, „die Deutschland jetzt braucht“, weil sie jung, kompetent und charakterstark ist. Siegfried Walch will die Steuersätze reformieren und Bürokratie abbauen. Integration, bessere Familienpolitik, Bildung – die Kandidaten gehen die üblichen Themen durch. Ein politisches Leuchtfeuer ist jedoch nirgendwo in Sicht.
Dass die Mainzer zudem darauf verzichteten, im Stil von Vorbildern wie DSDS, „Popstars“ und „Germany´s Next Topmodel“ eine Sendereihe zu entwickeln, und sich stattdessen auf eine einzige Live-Show am 19. Juni beschränken, spricht gegen die Etablierung eines langfristig erfolgreichen Formates. Moderiert wird die Sendung von Steffen Seibert, die Entscheidung über den Gewinner treffen die Zuschauer per TED. Am Vorabend gibt es im Nachtprogramm Castings und Jurygespräche zu sehen. Übrigens stammt die Idee ursprünglich aus Kanada und heißt dort „Canada´s Next Great Prime Minister“.