Die Bild-Zeitung ist bekanntlich gerne dabei, wenn es gilt, TV-Formate mit skandalträchtiger Berichterstattung zu begleiten. Die Quote der SAT1-Doku-Soap „Die Superlehrer“ vom 29. Juni befeuerte das Blatt zuvor mit einer prallen Schlagzeile: „Wie weit will das Fernsehen noch gehen? Mädchen in TV-Show (…) verprügelt“. Nach Ausstrahlung der Sendung muss man sich jedoch eher fragen, ob das, was da aus dem Geschehen der Folge herausgefiltert wird, nicht nur die Spitze des Eisberges ist.
„[E]in Team von tollen Lehrern (macht) eine Klasse von 15 Jungen und Mädchen fit für den Hauptschulabschluss“ – so vollmundig klingt es im Casting-Aufruf zur Show. Selten hat der Titel eines Fernsehformates jedoch derart verdächtig nach Etikettenschwindel gerochen wie in diesem Fall. Wenn die Gruppe zusammengewürfelter Pädagogen, die SAT1 dem Zuschauer in seiner wöchentlichen Reality-Show über eine Kreuzberger Schule präsentiert, tatsächlich unter die Kategorie „Superlehrer“ fallen soll, ist es wohl noch schlechter um die hiesige Ausbildung junger Menschen bestellt als ohnehin angenommen werden muss.
16 (nicht 15) Jugendliche sollen (mit „Aufwandsentschädigung“ seitens des Senders) den Hauptschulabschluss schaffen, und jeder von ihnen bringt seinen eigenen problembelasteten Lebenshintergrund mit. Ohne geht es nicht, denn er bietet die Grundvoraussetzung dafür, denjenigen Typus von Sozialvoyeurismus bedienen zu können, von dem derartige Formate in der Hauptsache leben. Gewalt, Drogen, zerrüttetes Elternhaus – die Rezeptur ist immer dieselbe.
Die „Schläger-Folge“, wie der zuständige Bild-Redakteur die Sendung vom 29. Juni betitelt, beinhaltet unter anderem, wie der 21-jährige Harun mit der 19-jährigen Denise aneinander gerät und in Abwesenheit von Lehrer und TV-Team auf sie einschlägt. Denise hatte trotz fester Beziehung mit einem Mitschüler angebändelt, was bei Harun immense Aggressionen freisetzte. Untreue war zuvor bereits Auslöser für einen gewalttätigen Angriff auf seine Ex-Freundin, und als ein Streit zwischen den beiden Schülern ausbricht, eskaliert die Situation.
Insgesamt wird nicht so ganz ersichtlich, was die Lehrer hier eigentlich Ungewöhnliches leisten, und inwiefern sie für ihr schwieriges Klientel besonders qualifiziert sind. Die Fitnesstrainerin berlinert gewaltig und macht dabei noch die beste Figur, hat aber auch mit den lustigen Sportspielen, die sie betreibt, ein Feld mit wenig Widerständen zu bearbeiten. Der Mathematiklehrer, gemütlich, sympathisch, mit 66 kurz vor der Pensionierung und lässig mit weißhaarigem Hippie-Zopf ausgestattet, kann nur Fünfen und Sechsen verteilen, schiebt es aber (selbstverständlich) auf den Unwillen der Schüler. Der Englisch-Lehrer sollte indes vielleicht noch einmal an seiner Aussprache arbeiten – aber vielleicht gehört das ja auch zum pädagogischen Konzept.
Mittlerweile ist die Rechtmäßigkeit von Lehrerbewertungsportalen erfreulicher Weise entschieden. Hier scheint sich zu zeigen, wieso das einen guten Sinn macht. Wollte SAT1 tatsächlich einen Beitrag zur PISA-Studie leisten, wäre der Sender gut beraten, Konzepte an praktischen Beispielen aufzuzeigen, bei denen weniger bloßer Dienst nach Vorschrift gemacht wird. Eine genauere Orientierung am schwedischen Vorbild der Show wäre schon ein Schritt. So jedenfalls ist auch dieses Format einmal mehr bloße Freakshow, die vor allem dazu dient, dass sich so mancher Zuschauer genüsslich über den Rand der Gesellschaft empören kann.